Die kursiven Teile dieses Berichtes sind von der Freibeuterin.
Samstag nachmittags trafen Robert und sein Arbeitskollege Romain bei CK ein. Nach einem Mittagessen in der Alten Münz und einem Besuch im Fanshop (wieso gibt es eigentlich die lustigen "Freistoss"-Gummis nicht mehr an der Kasse?) ging es den Betzenberg hoch. Das Spiel der Lauterer gegen den VW-Klub war recht spannend und endete nach einem turbulenten Hin-und Her 3-2 für die Pfälzer, die zwischenzeitlich sogar 1-2 zurücklagen. Für den Siegtreffer zeichnete sich Bjelica verantwortlich, der einen Freistoss herrlich verwandelte. Auch die anderen Abstiegskonkurrenten von Sechzig (Gladbach, Hertha und Hannover) hatten ihre Spiele gewonnen. CK jubelte. Ebenso wie die Anhänger der roten Teufel, die recht guten Support ablieferten. Die Freude beim Luxemburger währte jedoch nicht lange, denn bereits später unter der Haupttribüne beim Wurststand wurde ihm klar, dass es nun wirklich soweit war. Der TSV 1860 (der in Rostock vermutlich verlieren würde) war so gut wie abgestiegen. Betretenes Schweigen machte sich breit, unterbrochen von Roberts Frage, was denn los sei. "Es ist halt einfach traurig, dass es soweit kommen musste", so CK's trockene Antwort. "Ja jetzt warte mal, sind ja noch drei Spiele. Wenn ihr morgen gewinnt, sind alle Klubs wieder nahe beieinander." Darauf entgegnete CK nichts, weil er genau wusste, dass dies eben nicht passieren durfte. Am besten wäre wohl ein Remis, welches alles offen lassen würde, dem "Projekt Abstieg 2004" aber nicht ernsthaft schaden würde.
Später fuhren Robert und Romain nach Hause und der weitere Abend war für CK alles andere als erfreulich, da er vor der Rostock-Fahrt irgendwie kaum schlafen konnte, wohlwissend dass er seinen Verein , den er eigentlich über alles liebte, an diesem Tag verraten hatte mit seiner Freude über die Resultate der Abstiegskonkurrenten (Hertha, diesen Hassverein, mal ausgenommen). Aber nur ein Abstieg kann bei Sechzig noch eine radikale Kursänderung in der Vereinspolitik bewirken, wenn überhaupt. In Stephen King's "Salem's Lot" wird Susan, die Freundin des Protagonisten Ben Mears, zum Vampir und er muss nachher seiner Geliebten einen Pflock ins Herz rammen um sie zu erlösen. Zwar weiss er, dass Susan längst nicht mehr Susan ist, aber ein Teil von ihm sieht in der Vampir-Susan noch immer "seine" Susan. Aber so schwer es für ihn auch ist, er tut das, was er tun muss. Ein Van Helsing hätte nicht anders gehandelt. Auch wenn dieser Vergleich vielleicht etwas überzogen sein mag (ein Verein ist was anderes als ein Mensch), irgendwie kommt sich der traditionalistische Löwenfan und Abstiegbefürworter wohl ein bisschen wie Ben vor. Bloss mit dem Unterschied, dass Ben genau wusste, dass es keine Wiederauferstehung seiner Susan geben würde. Für Sechzig gibt es die aber hoffentlich.
Um fünf Uhr am Sonntag morgen wurde der Lauterer Student von Rockland Radio geweckt und wenig später war er auch schon unterwegs zum Bahnhof, wo er sich ein Gammelticket und eins für die Strecke Mannheim-Hamburg zulegte. Mit einer Regionalbahn ging es dann nach Mannheim, von dort mit ICE weiter nach Hamburg. In diesem waren auch einige Bremenfans, die wohl aus München zurückkamen und sich über die geilen Artikel in der Bildzeitung amüsierten. Werder war immerhin mit einem 1-3 in München Meister geworden und Hoeness war schwer deprimiert. Sein Elend wurde auf Fotos dokumentiert. Jetzt halten die Roten hoffentlich ihr Maul.
In Hamburg besorgte CK sich erstmal einen Sixpack Beck's und er begab sich zu Gleis 5 , wo die Freibeuterin und Gusch auch pünktlich erschienen. Letzterer hatte ein geiles altes Trikot aus Bayernligazeiten (Karnehm) an und erwies sich in der Folge als grossartiger Kenner von Hamburgs Amateurligen.
Ab hier überlässt der Autor des bisherigen Teilberichtes nun aber der Freibeuterin das Wort, denn wieso sich die Arbeit machen, etwas aufzuschreiben, was andere schon dokumentiert haben. In dem Sinne hier der Gastbeitrag von Uli:
"Wir seh'n uns"
Es begab sich an einem Sonntag Mittag, als zwei nach Hamburg ausgewanderte Münchner sich am Hamburger Hauptbahnhof einfanden, um einen Kaiserslauterner einzusammeln. Dafür, daß ich beide nur je einmal kurz vorher gesehen hatte, klappte das auch überraschend gut, und so konnte gleich der Zug nach Rostock geentert werden. Für einen Großteil der Strecke hatten wir auch die fußballerisch absolute Mehrheit - zumindest in diesem Abteil war weit und breit kein Rostocker zu sehen (und das, obwohl ich doch kurz vorher noch gewarnt worden war, daß auf dieser Wochenendticketstrecke bestimmt der gesammelte Rostocker Asihaufen einsteigen wird ...). Also vertrieben wir uns erstmal die Zeit mit grandiosen Plänen (die Pappschild "suche Karten"-Choreo vorm Olympiastadion, wenn 1860 da am Montagabend gegen Oberhausen spielt z.B., oder die Herstellung von Abstieg 2004-T-Shirts). Und schließlich, in irgendeinem Kaff, stiegen sie dann tatsächlich zu: die Rostocker Asifraktion. Bestehend aus drei Kiddies, die uns erstmal schön bepöbelten (wie reagiert man auf sowas? Genau - ignorieren). Anschließend verschwanden die drei gleichzeitig aufs Klo und ca. 15 Minuten lang war nichts weiter zu hören als ab und zu ein bißchen Gepöbel gegen uns und Schläge von innen an die Tür. Äh ja - ich will immer noch nicht wissen, was die da drin gemacht haben. Als sie dann endlich wieder abzogen stiegen schon die nächsten Rostocker zu - ca. sieben weitere Kids (darf man als außerhalb von Rostock wohnender Rostockfan eigentlich gar nicht über 18 sein, wäre das möglich?), die sich zu uns setzten - und mit denen man sich gut unterhalten und lachen konnte.
In Rostock angekommen, ließen wir erstmal den großen Mob abziehen und kamen irgendwie mit dem ersten Rostocker, der GUT über 18 war (und mit Sicherheit seine 130 kg wog...) ins Gespräch. Und wieder: nett, sehr nett! Der Fehler am Mob abziehen lassen war allerdings, daß wir nun keinen Anhaltspunkt mehr hatten, wie wir zum Stadion kommen. Was macht man? Man fragt die Jungs (und Mädels) in grün. Und schon wieder: sehr nett! Stadion war nach einer S-Bahnfahrt schnell gefunden und ebenso schnell stellten wir fest "falsche Seite, denn hier stehen Menschen vorm Stadion". Und weil's so schön auf dem Weg lag statteten wir erstmal dem Hansa Fanprojekt einen Besuch ab. Dort fand man auch gleich jede Menge alte Bekannte - das ist wohl das schöne an so einem Spiel an einem Sonntag-Abend: die Chance, fast nur bekannte Gesichter zu sehen, steigt um ein vielfaches. Irgendwann war es doch an der Zeit, das Stadion aufzusuchen.
Eingang: Wow, diese Kontrollen haben es echt in sich. Eigentlich darf man ja nichtmal einen Rucksack mit hineinnehmen (schön das dort zu erfahren...). Als ich aber zeigen konnte, daß da im Grunde wirklich nichts drin ist, wurde eine Ausnahme gemacht (feine Sache, daran könnten sich die Freunde in K'lautern mal orientieren...), außerdem gibt es wohl eine Art Aufbewahrungsstelle - was ja auch nicht unpraktisch ist. Wenn da allerdings ein Spiel ist, das ein "paar" mehr Fans anzieht als in diesem Fall, sollte man wohl wirklich weit vor Spielbeginn mit dem Hineingehen beginnen - lange Wartezeiten sind da auf jeden Fall vorprogrammiert.
Das Stadion: ich finde es nach wie vor wirklich schön. Ja diese Werbebanden sind wirklich zu hoch, aber das ist eigentlich auch das einzige Manko. Die Rostockfans boten eine nette Choreografie in ihrer Kurve anlässlich der Olympiabewerbung Leipzigs, die Rostock als Segel- und Fussballstadt anpries. Der Gästeblock (Stehplatz: 8 Euro) war zur Hälfte abgesperrt, was den Effekt hatte (naheliegender Weise) daß wir doch recht gedrängt standen. Ich fand es zuerst etwas albern, aber eigentlich ist dies der Stimmung doch recht zuträglich. V.a. wenn meiner Meinung nach höchstens 100 Löwenfans vor Ort waren. Wo wir schon dabei sind - Stimmung: RESPEKT, ich bin begeistert! Fast 20 Minuten ununterbrochen "Deutscher Meister TSV" (bezieht sich auf 1966, nicht daß jetzt dahinter irgendein sonstiger Sinn vermutet wird....). Und auch ansonsten schöne Stimmung, zumindest in der 1. Halbzeit. Daß nach dem 2:0 ein Einbruch kam - ja das ist wohl natürlich.
In der 2. Halbzeit - zum Ausgleich sozusagen - tolle Stimmung von den Rostockern, faszinierend v.a. daß diese nicht nur von den Stehplätzen kam sondern von eigentlich sämtlichen Sitzplatzblöcken abwechselnd gemacht wurde. Sehr toll! Nebenbei hat jetzt doch ein relativ großer Teil des Löwenforums für mich ein Gesicht - ist doch immer wieder interessant, wenn Nicknames zum Leben erwachen. Nach Toren der Ex-Löwen Max und Rydlewicz (FE) sowie Tjikuzu endete das Spiel 3-0. Insgesamt wohl ein verdienter Sieg des FCH.
Kurz vor Schluß ertönte aus der Hansa-Kurve ein "Freibier für alle", was wir noch amüsiert zur Kenntnis nahmen - bis wir danach viele Menschen mit viel Bier vom Verkaufsstand kamen sahen, und schließlich auch uns gesagt wurde daß da wirklich alles umsonst ist. Warum? Keine Ahnung - aber natürlich absolut tolle Aktion, gerne wieder und: danke ;). Tja und dann hatten wir also eigentlich was wir wollten - der Abstieg steht so gut wie fest. Abgesehen von wirklichen Hardcore-Abstiegsanhängern (hallo Gusch ;) ) war die Grundstimmung dann aber doch nicht freudig, sondern mehr in Richtung "es tut verdammt weh, aber es muß wirklich sein." Außerdem habe ich festgestellt: vorm TV kann ich relativ einfach zum Gegner halten, aber im Stadion? Nein das geht einfach nicht. CK redete vor Verlassen des Ostseestadions noch kurz mit Fehling und Hell und meinte zu ihnen, dass der Tag des Wiederaufstiegs in einem eigenen Stadion schon kommen würde. Unterwegs zurück zur S-Bahnstation versuchten wir noch ein paar Rostocker von der Mission Abstieg zu überzeugen - ich denke mal es ist uns ganz gut gelungen (und mal wieder: jo, die sind wirklich nett!). In dem Sinne richte ich mal den Berichtstitel nach Rostock - wir seh'n uns, so in 2-3 Jahren....
Tja, und dann kam das Kapitel "Rückfahrt". Wie ich diese Rückfahrt beschreiben soll, darüber habe ich mir schon gestern den Kopf zerbrochen und habe keine wirkliche Lösung gefunden. Vielleicht einfach wie es war? Es war nämlich schier unglaublich (und jetzt kommen wir zur Erklärung des Titels Nr. 2). Ich hoffe ihr sitzt beim Lesen, denn sonst kann ich bei dieser wirklich unglaublichen Geschichte, die ich nun erzählen werde, für wirklich nichts garantieren. Da war doch ein gewisser CK beim Spiel Lautern-Rostock und unterhielt sich da am Bahnhof mit einem Rostocker. Und irgendwann verabschiedeten sich die beiden mit den Worten "wir seh'n uns". Ja und nun, im Zug haben sie sich tatsächlich wieder gesehen! Ist das nicht der Wahnsinn? Nach dem ca. 20. Mal, als diese Geschichte dann erzählt wurde, war der Wahnsinn auch wirklich nicht mehr weit entfernt, und das ganze Abteil, wenn nicht sogar noch mehr, war bestens unterhalten. Gusch hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon in ein anderes Abteil abgeseilt (warum nur? *grins*) und verpaßte so die ca. 20-minütige Solo-Performance von CK, die da hieß "Löwenmut", gefolgt von Telefonaten mit Thomas (dem Rostockfan aus Koblenz) und Uta - bei diesen man so einiges lernte, z.B.: man kann tatsächlich telefonieren, wenn man das Handy verkehrt rum hält.
In Hamburg angekommen wurde meine Wohnung geentert, CK radikal vor die Tür gesetzt und dem Lippstädter Asyl gewährt (die Frage, wo der Lippstädter denn her kommt, war- fürchte ich- nicht die intelligenteste, die ich an diesem Tag so gestellt hab ;). Ich hoffe ihr seid alle gut nach Hause gekommen, ihr Löwenfans aus aller Welt (buchstäblich!) - ich freu mich auf Gladbach.
So, jetzt aber nimmt der Hausherr den Faden wieder auf. Nach einem Abend der endgültigen Vernichtung nach dem Abstieg trat ein müder CK die Heimreise nach Lautern an. Im ICE nach Mannheim war auch ein Geschäftsmann, der sich am Handy tierisch über einen Mitarbeiter aufregte, der scheinbar ne völlig falsche Bilanz aufgestellt hatte. "Das darf doch nicht wahr sein. Wir machen das seit 2003 nach dem Umsatzkostenverfahren, nicht nach dem Gesamtkostenverfahren. Der bringt mich noch um, den schmeiss ich raus. Was für ein Debakel! Bis Mittwoch will ich alles neu haben." Naja, wenigstens bekam der Typ keinen Herzinfarkt. Auch andere Leute hatten also heute irgendwie einen "Löwentag" ;)))
Um 14 Uhr am Montag war der Luxemburger endlich wieder in der Ville.
Sechzig ist so gut wie abgestiegen, das alles ist verdammt traurig. Am traurigsten ist sicherlich, dass es soweit kommen musste, dass die Fans sich diese bitteren Stunden herbeisehnen mussten. Aber so ist die Welt. Zehn Jahre nach Meppen steht nun also bald wieder ein Zweitligaspiel an. Ob die Heimspiele im Sechzger stattfinden, weiss noch niemand. Auer will alles dafür tun, aber Ude hat noch was dagegen. Dieser Judas sollte als nächster nach KHW gegangen werden. Hat der nicht allen Blauen nach dem Aufstieg am Marienplatz einen Ausbau des Sechzgers versprochen? Hat er nicht früher davon geredet, wie toll er es findet, dass die Löwen immer ihrer Heimat treu blieben? Dieser Politiker mag als Oberbürgermeister der Stadt München vielleicht okay sein, aber als Aufsichtsratmitglied ist er einfach fehl am Platz. Also: Ude raus ! Noch weiss niemand, wo der jetzige Weg den TSV 1860 hinführen wird, vielleicht noch tiefer, vielleicht im worst case zum Konkurs, aber vielleicht auch zurück zur alten Identität, zu einem Sechzig, auf das alle Fans wieder stolz sein können, zu einem Sechzig, das sich nicht an den FC Bayern anbiedert, zu einem Sechzig, das frei vom roten Geist in einem eigenen Stadion und nicht in der AllianzArena, diesem Kommerzdrome der Bähhler, kickt. Der Schmerz mag für so manchen Leser zur Zeit gross sein aufgrund des kleinen sportlichen Todes, den der Verein sterben musste, aber die Freude wird hoffentlich kommen, sobald alle Fans wieder zusammen in der Westkurve stehen, einer für alle, alle für einen und die Zwistigkeiten der letzten Jahren vergessen sind. Der gordische Knoten wird demnächst durchgehauen werden, darauf sollten alle hoffen, denn das wäre die wahre Rettung des Münchner Traditionsvereins, des Vereins den wir lieben unabhängig von seiner Ligazugehörigkeit. Dies soll kein Abgesang auf den TSV sein, sondern eher eine Aufforderung jetzt erst recht mobil zu machen. Die Karten werden bald neu gemischt. Das weiss-blaue Herz schmerzt, aber es schlägt höher denn je.
In dem Sinne bis zur Nostalgiefahrt auf den Bökelberg, wo die Löwenfans sich von der ersten Liga und die Gladbacher von ihrer Heimat verabschieden werden, gez.CK feat. Freibeuterin.